Im Jahr 2011 erstellte das BFS im Auftrag der WKW Staustufe Kostheim/Main GmbH & Co. KG eine Studie zur Funktionsfähigkeit der Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlagen am Wasserkraftwerk Kostheim am Main.
Aufgabenstellung
Im Jahr 2002 wurde die Errichtung und der Betrieb einer Wasserkraftanlage an der bestehenden Wehranlage Kostheim am Main planfestgestellt. Die WKA ist seit 2010 in Betrieb. Die energetische Nutzung erfolgt über zwei horizontale Kaplan-Pit-Maschinen am rechten, nördlichen Ufer des Mains. Die dreiflügeligen Laufräder werden mit vergleichsweise geringen Umdrehungszahlen von max. 85 U/min betrieben und können nach Angaben der Betreiberin somit als „fischfreundliche“ oder „schädigungsarme“ Anlagen charakterisiert werden. Die Betreiberin ging von einer Mortalitätsrate von ≤ 10% aus.
Ergänzt werden soll der Fischschutz durch je einen vertikalen Rechen pro Turbine, die einen Stababstand von 20 mm aufweisen; die Neigung der Rechen beträgt 25 Grad. Die Anströmgeschwindigkeit zwischen den Rechenstäben soll mit 0,5 m/s kleiner sein als die Abflussgeschwindigkeit vor den Fischabstiegsanlagen.
Der Fischabstieg soll unter anderem über in den Rechen integrierte oberflächennahe Salmonidenabstiege mit 30 cm breiten und 20 cm hohen Abstiegsöffnungen gewährleistet werden, wobei die Abwanderung durch die Position der Rechenharke begünstigt werden soll. Die Dotation beträgt planerisch rund 100 l/s. Die Ausläufe der über zwei unterirdische (nicht beleuchtete) Rohrleitungen (Durchmesser 40 cm) abgeführten Abstiege verlaufen parallel zum Kraftwerk über rund 50 m ins Unterwasser. Als weiterer Abstieg wurde am Mittelpfeiler zwischen den Turbinen je eine Einstiegsöffnung mit einer Höhe von 2 m und einer Breite von 0,8 m installiert. Die beiden Öffnungen befinden sich etwa in der Mitte der Wassersäule. Die Abstiegsleitung wurde durch eine Rohrleitung mit einem Durchmesser von 800 mm realisiert. Die Durchflussmenge beträgt rund 1 m3/s. Dieser (im Wesentlichen für abwandernde Aale konzipierte) Abstieg wird als (Aal)Bypass bezeichnet.
Für den Fischaufstieg ist ein naturnahes Umgehungsgerinne mit einer Länge von rund 200 m und einem mittlere Gefälle von 2,1 % eingerichtet worden. Die Anbindung im Oberwasser erfolgte rund 60 m oberhalb der Rechenanlage, die Anbindung im Unterwasser etwa 40 m unterhalb der WKA-Auslässe. Das Umgehungsgerinne selbst weist einen gestreckten Verlauf auf, wobei Strömungsumlenkungen bzw. Beruhigungen durch den Einbau von Strukturelementen, Gewässeraufweitungen etc. realisiert wurden. Durch die Eingabe von Sohlsubstraten wird auch die Wanderung des Makrozoobenthon gewährleistet. Das Umgehungsgerinne ist für eine Wassermenge von 1,5 m3/s ausgelegt. Der Auslauf des Umgehungsgerinnes liegt rund 40 m unterhalb des Saugschlauchendes im Unterwasser. Aufgrund der Lage war bereits vor Untersuchungsbeginn durch das BFS auf einen möglichen Sackgasseneffekt aufgrund einer mangelhaften Auffindbarkeit des Einstiegs des Umgehungsgerinnes hingewiesen worden.
Die Untersuchungen fanden im Frühjahr, Sommer und Herbst 2011 statt. Sie untergliedern sich in die zu bearbeitenden Fragestellungen Fischaufstieg, Fischabstieg und Mortalität bei Turbinenpassage.
Zusammenfassung Ergebnisse
Die Funktionskontrolle der Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen sowie der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main wurde mittels Reusenkontrollen, Hamenfängen, Elektrobefischungen, DIDSON-Sonar-Untersuchungen und eines automatisch operierenden VAKI-Fischzählers durchgeführt.
Die Untersuchung erbrachte folgende Ergebnisse:
-
Fischaufstieg
-
1.Im Umgehungsgerinne sind größere (> 30 cm) und schwimmstarke Arten bzw. Individuen deutlich unterrepräsentiert.
-
2.Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Auffindbarkeit aufgrund der ungünstigen Lage des Auslaufs (40 m unterhalb Turbinenauslauf) für diese Selektivität verantwortlich.
-
3.Im Unterwasser liegt ein Sackgasseneffekt für große, schwimmstarke Individuen vor. Schwimmstarke Individuen (darunter auch Lachs und Meerforelle) ziehen der Hauptströmung nach bis zum Turbinenauslass und/oder Bypassauslauf und suchen dort nach einem Aufstieg. Hier sollte ein zusätzlicher Einstieg installiert werden.
-
4.Die hydraulischen Verhältnisse in zwei steileren, turbulenten Abschnitten des Umgehungsgerinnes und die Positionierung und geringen Lückenbreiten einiger Störsteine sind für große Potamalarten (z.B. Brachsen, Wels, Hecht, Zander) kritisch. Eine Nachbesserung ist jedoch mit geringem Aufwand möglich.
-
Fischabstieg
-
1.An der Wasserkraftanlage Kostheim verursachen Schäden durch die Rechenreinigung, Schäden durch die Rechenpassage (Schuppenverluste, Hämatome) und turbinenbedingte Verletzungen derzeit eine Gesamtmortalität von rund 50% (varriierend nach Abfluss, Fischart, Individuengröße, Intervallen der Rechenreinigung etc.).
-
2.Der Rechen mit einem Stababstand von 20 mm ist für Aale kleiner ca. 65 cm Totallänge und für andere Arten kleiner 25-30 cm TL (je nach Körperumfang) passierbar.
-
3.Unter normalen Betriebsbedingungen wird der Aalbypass weder vom Aal noch von anderen Fischarten als Fischabstiegskorridor angenommen. Selbst bei für Fische „optimalen“ Betriebsbedingungen (= geringe Auslastung der Turbinen) verenden noch immer rund 50% der größeren Aale im Rechengut.
-
4.Das Umgehungsgerinne hat aufgrund der Lage (Entfernung) des Einlaufs und der verhältnismäßig geringen Dotation keine wesentliche Bedeutung für den Fischabstieg und insbesondere nicht für die Abwanderung von Wanderfischen.
-
5.Der Salmondienabstieg ist wegen mangelnder Leitströmung und extremer Wartungsprobleme ohne Funktion. Im Rahmen von DIDSON-Sonaruntersuchungen wurden nur wenige Individuen im Bereich der oberflächennah angeordeten Einstiegsöffnungen verzeichnet.
-
6.Mangels funktionsfähiger Abwanderhilfen wandern bei normalen Abflussbedingungen (geringer Wehrüberfall, hohe Auslastung der Turbinen) Aale < 65 cm Totallänge und andere Arten < 25-30 cm TL überwiegend über die Turbine ab (auch DIDSON-Beobachtungen), größere Individuen gelangen häufig mit dem Rechenreiniger ins Rechengut.
-
7.Über 50% der Individuen im Rechengut Kostheim sind durch die hiesige Rechenreinigungsanlage letal geschädigt worden.
-
8.Fische, die vom Rechenreiniger erfasst werden, erleiden häufig Total- und Teilabtrennungen sowie Schuppenverluste, Fleischwunden und Quetschungen.
-
9.Aale scheinen oft nicht vor dem herannahenden Rechenreiniger zu fliehen, sondern klemmen sich mit dem Schwanz in den Rechenstäben fest.
-
10.Vitale bzw. gering geschädigte Fische bilden im Rechengut die Ausnahme; unter den gegebenen Bedingungen verenden diese Individuen wie die geschädigten Fische im Rechengutcontainer (Mortalität 100%).
-
11.Ein Abbau des 20 mm – Rechens und/oder eine Vergrößerung des Stababstands des Rechens ist nicht zielführend, da die Mortalität bei Turbinenpassage mit 20% - 30% zu veranschlagen ist und damit insgesamt deutlich über dem „Sollwert“ von 10% liegt.
-
12.Neben der Installation eines feineren Rechens ist insbesondere die Bereitstellung auffindbarer sohlennaher und oberflächennaher Abwanderkorridore zielführend.
Den kompletten Bericht können Sie hier als pdf herunterladen - Endbericht_Kostheim_30.4.2012_klein.pdf
[Bericht: Schneider, J., Hübner, D. & Korte, E. (2012): Funktionskontrolle der Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen sowie Erfassung der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main - Endbericht 2012. – Studie im Auftrag der WKW Staustufe Kostheim/Main GmbH & Co. KG; Frankfurt am Main, 159 pp.]
Home - News & Archiv - Rheinlachs - Maifisch - Gewässer - Helfen & Fördern - Kontakt